Start-ups im ländlichen Raum

Gründen zwischen Wald und Wiese

14.11.2022

Die Start-up-Szenen in den Metropolen sind bunt, quirlig und kreativ. Und trotzdem entscheiden sich zunehmend Gründerinnen und Gründer für einen Standort im ländlichen Raum. Dafür gibt es gute Gründe.

Bernd Deeken schüttelt den Kopf: Nein, Hamburg sei keine Alternative für ihn. Und auch keine andere Großstadt. „Ich habe meine Firma in Cloppenburg gegründet und hier werden wir auch bleiben." Der Digitalisierungsspezialist ist keiner aus der Start-up-Generation, die von einem Firmensitz in quirligen Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Köln träumen. Im Gegenteil. Der Standort, der ihm vertraut ist, gibt ihm Sicherheit und garantiert Lebensqualität. Und mit dieser Sichtweise steht der junge Unternehmer längst nicht mehr allein da.

Der ländliche Raum gewinnt für Gründerinnen und Gründer zunehmend an Attraktivität. Das liegt unter anderem daran, dass es hier besondere Herausforderungen gibt und innovative Ideen mehr und mehr gefragt sind – etwa zu Themen der Landwirtschaft, der Mobilität oder der Versorgung älterer Menschen. So öffnen sich immer wieder neue Marktlücken. Häufig geht es um Lösungen, die in Städten bereits gefunden wurden und nun auch auf die ländlichen Verhältnisse zugeschnitten werden sollen.

Was darüber hinaus für das Gründen auf dem Land spricht, ist offensichtlich: Man kennt sich, die Wege sind kurz und direkt, ein Gesprächstermin ist schnell verabredet. Das erleichtert den Start in die Selbstständigkeit und hilft auch, mögliche kritische Situationen zu bewältigen. Positiv machen sich daneben die oft geringeren Gewerbesteuersätze und niedrigere Mietkosten bemerkbar. Räumlichkeiten vom Büro bis zur Werkstatt oder Lagerhalle sind hier in der Regel zu deutlich günstigeren Konditionen zu haben als in den Ballungszentren.

Zudem spielt in einer Vielzahl an Branchen der Standort nur noch eine untergeordnete Rolle. Insbesondere digitale Geschäftsmodelle funktionieren unabhängig von der Firmenadresse. Ein weiteres Argument „pro Land" ist eine Folge der Einschränkungen während der Corona-Pandemie: Viele – vor allem junge – Menschen fragen sich, welche Vorteile das Leben in der Großstadt denn noch mit sich bringt, wenn die Kultureinrichtungen, die Restaurants und auch die Geschäfte geschlossen sind. „Dann bleibt nur noch Hektik, Verkehrslärm und die verdreckte Umwelt", sagt eine Gründerin.

Und obwohl gelegentlich bemängelt wird, dass es mitunter an einem Austausch mit Gleichgesinnten mangelt und die räumliche Distanz zu Kunden und Investoren groß ist, fällt die Entscheidung, auf dem Land zu gründen, im Normalfall sehr bewusst. Der Standort zwischen Wald und Wiese ist für Gründerinnen und Gründer alles andere als Ausweichquartier oder Notbehelf. Die Ergebnisse einer Studie der Hochschule Landshut belegen, dass Gründerinnen und Gründer auf dem Land vor allem um einiges zufriedener mit ihrer persönlichen Work-Life-Balance sind. „Das kann ich so unterschreiben", sagt Bernd Deeken.