Das andere Gründen

Die Unternehmensnachfolge als Chance

14.11.2022

Ein Heizungsbaubetrieb in – sagen wir mal – Damme. Seit mehr als 40 Jahren bestimmen Thermostatventile, Heizungsrohre und Gummidichtungen das berufliche Leben von Inhaber Gerd. Nun ist Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. „Ich bin bald 65, das reicht", sagt Gerd. Und nun?

Gerd würde seinen Betrieb gern an einen geeigneten Nachfolger verkaufen. Mehrere Jahre sucht er schon nach einem Kandidaten. Bislang vergebens. Als erstes zerschlug sich die Hoffnung auf eine Lösung innerhalb der Familie. Die vier Töchter haben sich anders orientiert. Dann sprang ein zunächst interessierter ehemaliger Geselle wieder ab, als ihm andernorts ein lukrativeres Angebot unterbreitet wurde. „Es ist wie verhext", ärgert sich Gerd. Seine Auftragsbücher sind voll, das Geschäft läuft blendend. Viele Stammkunden aus der Region halten ihm und seinen Beschäftigten seit Generationen die Treue. Trotzdem ist niemand in Sicht, der die Firma fortführen könnte.

Nach Schätzungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stehen in den nächsten Jahren jährlich rund 120.000 Unternehmensübergaben an. 2028 werden deutschlandweit drei von fünf Unternehmern über 55 Jahre alt sein. Dies ist das Ergebnis einer Analyse aller 79 deutschen IHK-Bezirke. Das heißt: Die geburtenstärksten Unternehmerjahrgänge und damit über 60 Prozent der Firmen müssen in den nächsten zehn Jahren Ihre Nachfolge regeln. Im Durchschnitt konnten zuletzt jedoch lediglich in rund der Hälfte der Fälle geeignete Nachfolgerinnen oder Nachfolger gefunden werden. So hat sich der Generationswechsel zu einer der großen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft entwickelt.

„Dabei gibt es heutzutage doch wohl keinen geileren Job für junge Leute, als Unternehmer im Mittelstand sein zu können", sagt der im Emsteker ecopark ansässige Unternehmensberater und Nachfolge-Coach Timo Kaapke und fügt hinzu. „Da können die globalen Konzernjobs mit ihren noch so fancy klingenden Positionsbezeichnungen doch nicht ansatzweise mithalten."

Früher war das alles einfacher. Da war der Sohn zur Stelle, wenn der Vater in Pension ging. Die Bereitschaft, ein Familienunternehmen in der Generationslinie weiterzuführen, ist indes rapide gesunken. Immer weniger sind Angehörige an einer Übernahme oder Fortführung der Betriebe interessiert. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: Ein höherer Anteil von Studienabschlüssen, der Wunsch nach beruflicher Abkoppelung vom Elternhaus sowie der Wertewandel in der Gesellschaft hin zu sicheren und akademischen Berufen sind nur einige der wichtigsten Ursachen.

Existenzgründern bietet die Übernahme eines gut eingeführten Betriebs die Chance zu starten, sich dabei aber die mitunter mühselige Einführung des Unternehmens am Markt und den Aufbau des Geschäfts zu ersparen. Wichtig ist dabei, die Verhandlungen im Vorfeld diskret zu führen und einen abrupten Wechsel zu vermeiden. Andernfalls drohen Vertrauensverlust und Gewinneinbußen. Ideal, wenn sich Vorbesitzer und neuer Chef auf eine ¬Übergangszeit einigen. Das kommt bei den Kunden gut an und beide Seiten profitieren voneinander.

Heizungsbauer Gerd ist am Ende doch erfolgreich. Über eine Vermittlungsplattform im Internet hat er einen geeigneten Nachfolger gefunden. Sogar aus der näheren Umgebung. Beide fanden sich von Anfang an sympathisch und waren sich sogar in der Einschätzung des Marktes und der Potenziale des Betriebs einig. Die Verhandlungen über den Kaufpreis waren schnell abgeschlossen. Gerd weiß nun seine Firma, die er über Jahrzehnte aufgebaut hat, in guten Händen. Und sein Nachfolger ist sich sicher, dass er seinen Vorgänger jederzeit um Rat fragen kann, wenn er mal nicht weiterkommt.